Präsidentin elect Stephanie Urchick sieht im Rotary Action Plan den Schlüssel zu einer dynamischen Zukunft
Vom 7. bis 11. Januar trafen sich Führungskräfte aus den 518 Distrikten von Rotary in Orlando, Florida, USA, zur Internationalen Versammlung 2024, die die Governors elect auf das kommende Jahr vorbereiten und inspirieren soll. Das jährliche Training konzentriert sich auf die Frage, wie Rotarys Einfluss und Relevanz erhöht werden kann, und zeigt innovative Wege auf, wie die Mitgliedschaft stark und lebendig bleiben und wachsen kann. Das Rotary Magazin sprach kürzlich mit Urchick über ihre Vision für das Rotary-Jahr 2024/25.
Es ist Ende Oktober im One Rotary Center an einem letzten sommerlich warmen Tag vor dem abrupten Wetterumschwung im Großraum Chicago. In weniger als einer Woche werden an Halloween fast drei Zentimeter Schnee fallen.
Glücklicherweise lässt sich RI-Präsidentin elect Stephanie Urchick von Wandel in jeglicher Form nicht abschrecken. Vielmehr nimmt sie ihn als eine Chance wahr. In ihrem Büro in der Rotary-Zentrale prangt auf dem Bücherregal zwischen Clubverzeichnissen und Bannern, Gedenktafeln und Plaketten und – Überraschung! – sogar einigen echten Büchern ein mit Herbstblättern verziertes Holzschild mit der Aufschrift „Fall is proof that change is beautiful“ (Der Herbst beweist, wie schön der Wandel ist).
„Genau deshalb mag ich auch Schmetterlinge“, erklärt Urchick. „Sie beginnen in einer kleinen Puppe, die nach nichts aussieht. Doch dann platzt die Puppe auf und ein wunderschönes Geschöpf schlüpft heraus.“
Urchick trägt an diesem Tag eine Action-Plan-Anstecknadel an ihrer schwarzen Steppjacke. Sie ist begeisterte Verfechterin des Rotary Action Plan, den sie als Leitfaden für Rotary Clubs ansieht, die eine ähnliche Metamorphose anstreben. „Ich möchte vor allem den Clubs dabei helfen, ihre Kultur so zu verändern, dass sie einfach unwiderstehlich werden“, sagt sie. „Unsere weltweiten Zahlen zeigen, dass jedes Jahr etwa 150.000 Menschen in Rotary eintreten. 160.000 Menschen treten aber jährlich wieder aus. Das sagt mir, dass einige die Clubmitgliedschaft nicht als wertbringend empfinden. Sie verlassen nicht wirklich Rotary, sie verlassen einen Rotary Club. Wir müssen die Clubs davon überzeugen, die Gründe für dieses Verhalten zu untersuchen.“
Stephanie Urchick ist Mitglied im Rotary Club McMurray im US-Bundesstaat Pennsylvania. Sie trat 1991 in Rotary ein und interessierte sich bald für das Wirken der Rotary Foundation. Als neues Mitglied hörte sie von Rotarys Anstrengungen um die Ausrottung der Kinderlähmung und war fasziniert. Sie wurde Foundation-Beauftragte ihres Clubs und später ihres Distrikts. Auf Zonenebene war sie als Regional Rotary Foundation Coordinator mit dem Schwerpunkt Fondsentwicklung tätig und von 2012 bis 2014 auf internationaler Ebene als Trustee der Rotary Foundation. „Rotary Clubs leisten so viel Großartiges und vieles davon wurde erst durch die Zusammenarbeit mit der Foundation möglich“, sagt sie.
An diesem Tag, an dem der Herbst noch zwischen Sommer und Winter schwankte, setzte sich Stephanie Urchick mit der Leitenden Redakteurin des Rotary Magazins Diana Schoberg zusammen, um über ihren Werdegang und die Zukunft von Rotary zu sprechen.
Sie werden die zweite Präsidentin von Rotary sein. Sollten wir überhaupt noch zwischen den Geschlechtern unterscheiden?
Aus meiner Sicht, nein. Es geht darum, die beste Führungspersönlichkeit für einen gewissen Zeitabschnitt zu sein. Ich weiß aber auch, dass die Menschen, vor allem die Frauen, auf die Rotary-Präsidentschaft schauen und wenn sie eine Frau in dem Amt sehen, sagen: „Wow, wenn sie das schaffen kann, dann kann ich das vielleicht auch.“
Ich werde auch eine der wenigen unverheirateten RI-Präsident/innen sein. Ich habe von vielen gehört, die sagen: „Ich bin auch Single und finde es toll, dass Sie dieses Amt ausüben werden.“ Für mich ist ein Ehemann oder eine Ehefrau an der Seite nicht entscheidend, um sich für diese Rolle zu qualifizieren. Für manche bedeutet es aber viel, jemanden in diesem Amt zu sehen, der oder die aussieht wie sie oder den gleichen Lebensstand hat.
Das ist ein weiteres Element der Diversität. Glauben Sie, dass sich der Blick von Rotary auf Diversität oder Vielfalt in den letzten Jahren geändert hat?
Diversität war schon immer Teil unserer Grundwerte. Ich denke aber, dass sich die Art und Weise, wie wir Diversität definieren und messen, definitiv geändert hat. Es bedeutet heute so viel mehr als vor 40 Jahren, als wir eine reine Männerorganisation waren. Zum Beispiel bitten wir die Mitglieder zu prüfen, ob ihr Rotary Club ein wahrer Spiegel seines Gemeinwesens ist. Das kann alles Mögliche bedeuten: Ein Spiegel in Bezug auf die Altersgruppen oder Geschlechter oder in Bezug auf die Religion oder die politische Zugehörigkeit. Eine andere Perspektive oder die Tatsache, dass Menschen unterschiedliche Ansichten haben. Wenn der Club ein Spiegel seines Gemeinwesens ist, dann hat er die Zukunft wirklich im Griff. Und wenn er es nicht ist, hat er die Chance dazu.
Sie wurden 1991 Mitglied von Rotary, kurz nach der Öffnung der Organisation für Frauen. Warum sind Sie beigetreten und warum sind Sie geblieben?
Nun, das war kurz nach meiner Scheidung. Verheiratete Menschen machen in der Regel viel gemeinsam. Sie gehen zusammen ins Restaurant, sie fahren zusammen in den Urlaub, und so weiter. Plötzlich hatte ich das alles nicht mehr. So wie unser Gründer Paul Harris suchte auch ich nach Möglichkeiten, um neue Menschen kennenzulernen. Eine Frau kam in mein Büro und lud mich zu einem Treffen ihres Rotary Clubs ein. Ich hatte noch nie von Rotary gehört. Als sie dann aber über den Dienst und die Internationalität sprach, wurde ich neugierig. Ich ging zum Treffen und entschloss mich letztendlich zum Beitritt.
Am Anfang ging es mir hauptsächlich um die Gemeinschaft. Ich wollte neue Leute kennenlernen. Und das habe ich; ich habe alle möglichen Menschen kennengelernt. Aber ich habe mich von Anfang an auch aktiv engagiert. Beim vierten Treffen verfasste ich bereits den Newsletter, war also im Clubdienst aktiv. Mein Club beteiligte sich am Rotary-Jugendaustausch, am Studiengruppenaustausch und an Rotary Foundation Grants. Ich fand das alles großartig. Wie die meisten Mitglieder hat auch mich der Dienst in Rotary gehalten.
Warum wollten Sie Präsidentin von Rotary werden – und was macht Sie im Moment zur richtigen obersten Führungskraft der Organisation?
Präsidentin von Rotary zu werden, hatte ich nie wirklich auf dem Radar. In den mehr als 30 Jahren als Rotarierin habe ich Rotary auf so viele unterschiedliche Weisen gedient. Was mein Denken entscheidend mitgeprägt hat, war die Leitung des Strategischen Planungsausschusses. Wir hatten die Möglichkeit, die Stärken und Schwächen der Organisation unter die Lupe zu nehmen und die rotarische und nicht-rotarische Welt zu fragen, was uns ihrer Meinung nach in eine erfolgreiche Zukunft führen wird.
Rotary hatte jahrzehntelang das gleiche Modell für die Clubtreffen. Man traf sich vier Mal im Monat, die Glocke wurde geläutet, die Anwesenheit kontrolliert usw. Die Welt hatte sich ganz offensichtlich verändert, wir dagegen nicht. Wir hatten wirklich großen Nachholbedarf! Heute haben wir E-Clubs, Passport-Clubs, Satelliten-Clubs und Firmen-Clubs, um den Menschen verschiedene Möglichkeiten für die Mitgliedschaft und das soziale Engagement in Rotary zu bieten.
All das hat mich davon überzeugt, dass wir für eine erfolgreiche Zukunft gut aufgestellt sind. Und mich dazu bewogen, mich um das Amt zu bewerben. Ich glaube wirklich, dass wir erfolgreich sein können, wenn unsere Distrikte und Clubs den Action Plan nutzen. Ich sehe eine Zukunft vor mir, in der sich noch viel mehr Rotary-Mitglieder für den Dienst und die Gemeinschaft engagieren.
Welche Fähigkeiten aus Ihrem bisherigen Berufsleben werden Ihnen als Präsidentin behilflich sein?
Mein beruflicher Hintergrund umfasst drei verschiedene Felder. Während des Studiums und einige Jahre danach sang ich in einer Band. Ich weiß, wie es ist, auf der Bühne zu stehen und die Leute zu begeistern, zum Tanzen zu animieren und ihnen Freude zu bringen. Es mag banal klingen, aber dabei habe ich mir eine ganze Reihe von Kompetenzen angeeignet. Meine zweite Karriere hatte ich im Hochschulwesen. Ich habe an Hochschulen und Universitäten gearbeitet. Die meiste Zeit habe ich den Studierenden bei der Berufswahl und Jobsuche geholfen. Diese Zeit war sehr erfüllend und aufschlussreich. In meinem dritten Berufsabschnitt war ich selbständige Mitarbeiterin in meiner Beratungs- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft. Ich habe einige Schulungen durchgeführt und war stark in der Wirtschaftsförderung involviert. Ich glaube nicht, dass wir irgendwelche Fähigkeiten zurücklassen. Sie alle gehören zum ganzen Paket.
Wie hieß Ihre Band?
The Harmoneers.
Wird Musik der Harmoneers eingespielt werden, wenn Sie bei Events auf die Bühne kommen?
Nein, das glaube ich nicht. Ich hoffe, dass „Simply Irresistible“ von Robert Palmer gespielt wird.
Sie haben diesen Ausdruck „Simply Irresistible“, also „einfach unwiderstehlich“, vorhin schon einmal verwendet. Gibt es einen bestimmten Grund dafür?
Genau das wünsche ich mir von Rotary: einfach unwiderstehlich zu sein. Ich hoffe, dass die Rotary und die Rotaract Clubs für Menschen aus ihren Gemeinwesen, die ein Herz für Engagement und die Gemeinschaft haben, einfach unwiderstehlich sein werden. Dass sie anhand des Action Plan einschätzen werden, wo sie stehen und wo sie sich weiterentwickeln müssen. Das Ergebnis sind hoffentlich attraktivere Clubs, in denen mehr Menschen bleiben wollen.
Jeder Club ist anders. Es gibt kein Rezept, das wir den Clubs in die Hand drücken können mit dem Hinweis: „ Macht das so und dann wird alles gut“. Jeder Club entwickelt seine eigene Kultur. Rotary unterscheidet sich von Land zu Land. Rotary Clubs in ein und demselben Distrikt können sehr unterschiedlich sein. Jeder Club muss eine Selbsteinschätzung vornehmen und sich dabei die vier Prioritäten des Action Plan ansehen. Dann muss er sich fragen: Können wir in dieser oder jener Kategorie etwas anders machen oder läuft bereits alles optimal? Wenn der Club bereits unwiderstehlich ist, dann sollte er es auch bleiben. Wir müssen aber die Menschen in unsere bestehenden Clubs bringen und wir müssen neue Clubs gründen. Nur so können wir Rotary weiterentwickeln und eine Zukunft haben.
Wie lautet Ihr Jahresmotto und wie sind Sie darauf gekommen?
Es heißt ganz einfach The Magic of Rotary – Die Magie von Rotary. Man kann es mit jedem beliebigen Verb kombinieren. Man kann an die Magie von Rotary glauben. Die Magie von Rotary verbreiten. Auf der Magie von Rotary aufbauen. Die Magie von Rotary feiern. Man kann alle möglichen Wörter damit verwenden.
Die Idee dazu kam mir bei einem Besuch in der Dominikanischen Republik. Wir installierten einen Wasserfilter in einem Haus, in dem eine Großmutter, eine Mutter und drei kleine Jungen lebten. Wir bauten den Wasserfilter zusammen und ließen dann schmutziges Wasser durchlaufen, um der Familie zu zeigen, dass sauberes Wasser herausläuft. Wir unterwiesen die Frauen in der Benutzung des Filters, und als wir das Haus verlassen wollten, zupfte mich eines der Kinder am Ärmel und sagte: „Zeig mir noch einmal diesen Zaubertrick.“ Das ließ mich innehalten und ich dachte: Das ist Magie. Wir helfen ihnen, ihr Leben zu verändern.
Was werden Ihre Prioritäten als Präsidentin sein und warum haben Sie diese gewählt?
Die Umsetzung des Action Plan für mehr Mitgliederwachstum steht ganz oben auf meiner Liste. Ich liebe diese Organisation, so wie auch jedes Mitglied von Rotary, das ich kennenlerne. Ich möchte, dass Rotary eine Zukunft hat.
Meine zweite Priorität ist die Heilung einer gespaltenen Welt durch positiven Frieden. Für dieses Engagement gibt es mehrere Möglichkeiten. Wenn jeder nach der Vier-Fragen-Probe leben würde, statt nur darüber zu sprechen, wäre die Welt friedlicher. Ich hoffe, dass die Clubs um die Vier-Fragen-Probe zusammenkommen und sie auf kreative Weise nutzen werden. Und dann haben wir noch die Friedenspfähle: Clubs können Friedenspfähle im Stadtpark, auf dem Markt oder auf dem Universitätscampus aufstellen. Die Friedensbotschaft auf den Pfählen zeigt dem Gemeinwesen auf sichtbare Weise, dass Rotary eine friedensschaffende Organisation ist. Darüber hinaus bietet Rotary die Positive Peace Academy, die online verfügbar ist. Jedes Rotary-Mitglied aber auch Nichtmitglieder können sich den Inhalt in Ruhe ansehen. Und unsere Rotary Peace Centers sind starke lebensverändernde Aktivatoren. Ein neues Peace Center wird in Istanbul im Nahen Osten eröffnet. Im Februar 2025 werden wir dort eine Friedenskonferenz abhalten.
Meine letzte Priorität ist die Kontinuität. Das bedeutet zum einen, dass alle Mitglieder in Führungspositionen mit ihren Vorgänger/innen und Nachfolger/innen zusammenarbeiten werden. Es bedeutet aber auch, dass wir uns genau ansehen, worum sich die Clubs geschart haben und was sich durchgesetzt hat. Nur weil ein Präsident oder eine Präsidentin aus dem Amt scheidet, muss nicht auch ein erfolgreiches Programm beendet werden. Was wäre passiert, wenn Rotary seine Bemühungen um die Ausrottung der Kinderlähmung mit dem Ausscheiden von Clem Renouf oder James Bomar aus dem Präsidentenamt aufgegeben hätte?
Eines Ihrer Lieblingsmantras lautet: „Auf der anderen Seite des Ja ist das Leben interessanter.“ Können Sie uns etwas dazu sagen?
Ich erkläre das meistens so: „Sage Ja und überlege dann, wie.“ „Hey, willst du Redakteurin des Newsletters werden?“ „Ja.“ „Hey, willst du Präsidentin werden?" „Ja.“ „Hey, willst du das machen?“ „Ja.“ Ich sage „No“ nur in Verbindung mit „Problem“: No Problem – Kein Problem. Das Leben bietet einem so viele Möglichkeiten. Man muss einfach nur Ja zu ihnen sagen. Man hat genug Zeit, um sich die nächsten Schritte zu überlegen.
Dieses Interview erschien ursprünglich in der Februar-Ausgabe 2024 des offiziellen Mitgliedermagazins Rotary.